Der Hühnergott

Hühnergott als Kettenanhänger
Hühnergott als Kettenanhänger

Über Aberglauben und Sammlerfreuden

Wenn im Frühjahr und im Herbst die Winde an der Ostsee etwas stärker wehen und die kraft­vollen Wellen allerlei Strandgut ans Ufer spülen, dann wandern Einheimische und Urlauber wieder mit Argus­augen am Strand entlang.
Sie sind auf der Suche nach Bern­steinen, Donner­keilen, Seeigeln oder den viel­gestaltigen Feuersteinen, die die Phantasie von Kindern und Erwachsenen anregen. Manchmal haben die Feuersteine sogar ein Loch, und dann nennt man sie „Hühnergott“.

„Feuerstein“

Feuersteine sind sehr hart, splittern aber leicht. Wenn sie splittern, entstehen scharfe Kanten, wodurch die Feuersteine schon vor Jahr­tausenden als Werkzeuge eingesetzt wurden. Beim Aufeinander­schlagen sprühen Funken – daher der Name.

Wie kommt das Loch in den Feuerstein?

Diese Frage stellten Teilnehmer eines Seminars an der Ostsee, als sie zum Abschluss einen Hühnergott geschenkt bekamen – mit dem Hinweis, diesen als einen Talisman zu betrachten und zu hüten.
Die Feuersteine, meist schwarz und umgeben von einer weißen Kruste, können in Hohlräumen winzige Kristalle, Schreib­kreide oder auch fossile Einschlüsse haben. Verwitterung, Brandung und mechanische Einflüsse durch Sand und Steine lösen die Einschlüsse. Übrig bleiben tiefe Hohlräume oder gar ein Loch oder Löcher quer durch den Stein.

Hühnergott als Dekoration
Hühnergott
Hühnergott

Woher kommt das Wort und welche Bedeutung hat(te) der Hühnergott?

Die Herkunft des Wortes „Hühnergott“ ist bis heute nicht geklärt. Es besteht anderer­seits kein Zweifel daran, dass auch unsere Großeltern schon Lochsteine sammelten.
Grund genug für uns, den (Halb)Wahrheiten, die sich um diesen berühmten Stein ranken, einmal auf den Grund zu gehen.

In den 1960er-Jahren erschien in der deutschen Übersetzung Jewgeni Jewtuschenkos Novelle „Der Hühnergott“. Hier heißt es: „Der Hühnergott – das ist ein Meeres­steinchen mit einem kleinen Loch. Man sagt, die Krimtataren hätten geglaubt, daß ein solches Steinchen, mit einem Faden an die Hühner­stange gehängt, das Federvieh zu verbesserter Lege­tätigkeit ansporne. Daher auch der Name Hühnergott. Später kam der Glaube hinzu, ein Hühnergott bringe auch den Menschen Glück. Mir scheint, ein bißchen glaubt jeder an solche Glücks­bringer: die einen mit kindlich-vertrauens­seliger Offenheit, die anderen heimlich, mit mürrischer Verbissenheit.“

Die beschützende Wirkung eines Lochsteins ist auch schon einem sehr alten slawischen Volks­glauben zu entnehmen. Um Kikimora, eine alte slawische Gottheit, daran zu hindern, das Federvieh zu stehlen oder beim Eierlegen zu stören, hängte man einen Stein mit einem natürlichen Loch bei den Ställen auf. (nachzulesen in dem im 19. Jahr­hundert entstandenen Wörterbuch der groß­russischen Sprache von Wladimir Dal)

Den Lochsteinen werden noch heute in einigen Regionen Deutschlands geheimnisvolle Kräfte zugeschrieben. Man sagt, sie setzen einen Zauber gegen jedes Unheil, das einem durch böse Geister, also Alben oder Druden, widerfahren kann, sind sie doch eine außergewöhnliche Naturerscheinung. Bedingung ist aber, dass das Loch nicht auf künstlichem Wege entstanden ist.

Hühnergott – ein beliebtes Sammlerstück

Hühnergötter werden heutzutage gern als Mitbringsel, Schmuckstück oder für Dekorations­zwecke gesammelt. Kleine Exemplare lassen sich als Anhänger an einer Kette oder Lederband um den Hals tragen. Größere dienen als Brief­beschwerer oder Stifthalter.
Die ganz großen sieht man zum Beispiel noch immer in Gärten oder Vorgärten auf der Insel Rügen: Sie werden auch „Sassnitzer Blumentöpfe“ genannt, können schon mal weit über 100 Kilogramm wiegen und werden von Einheimischen gern mit Blumen bepflanzt. Das Sammeln dieser Riesen ist aber inzwischen aus Naturschutz­gründen verboten.

Suchen Sie sich doch auch Ihren ganz persönlichen Glücks­bringer! Aber vor dem Sammler­glück kommt die Anstrengung: Etwas abseits der Ortszentren und weißen Badestrände, dort, wo weniger Menschen spazieren gehen und das Laufen etwas schwieriger ist, warten im Sand zwischen Geröll und Findlingen kleine Schätze: schöne Muscheln, Donnerkeile und eben auch Hühnergötter...

Achtung:

Denken Sie unterhalb der Steil­küsten an Ihre Sicherheit! Hinweise geben Warntafeln an den Steil­küsten und die Kurverwaltungen vor Ort.


Naturschutzgebiet
Naturschutzgebiet

Bitte beachten Sie:
An Stränden und in Naturschutz­gebieten dürfen Sand, Fossilien und Steine nur in geringen Mengen für private, nicht-kommerzielle Zwecke gesammelt werden.
In einzelnen Orten erfüllen aufgeschüttete Geröll­wälle eine existentielle Schutz­funktion bei Sturmfluten. – In diesem Fall ist das Entfernen von Strandgut verboten. Achten Sie deshalb bitte auf die örtliche Beschilderung!

(alle Angaben ohne Gewähr, Änderungen vorbehalten)